Dhoruba bin Wahad - Warum er den Black Panthers beitrat und seine Position zur weißen, europ. Gesellschaft

F: Warum hat Du Dich für die Black Panther Party entschieden?


DBW: Meine Herkunft hat mir klargemacht, daß sich die Dinge nicht ändern würden und die Leute uns nicht respektieren oder auch sich mit uns befassen würden, wenn wir nicht aufstehen und uns gegen die rassistischen Angriffe selbst verteidigen. Hätten sich die Vereinigten Staaten aus Vietnam zurückgezogen, wenn es nicht die NLA (Nationale Befreiungsarmee, Anm. d.Ü.) gegeben hätte, wenn es nicht den Kampf des vietnamesischen Volkes gegeben hätte, sein eigenes Schicksal selbst zu bestimmen? Wäre Frankreich aus Indonesien abgezogen, ohne Dien Bien Phu? Wären sie aus Algerien abgezogen, ohne die FLN (Front Liberation National, algerische Unabhängigkeitsbewegung, Anm. d.Ü.)?

F: Siehst Du eine Parallele zwischen kolonisierten Völkern in der Dritten Welt und der Situation der Schwarzen in den Vereinigten Staaten?


DBW: Ja, es gibt Ähnlichkeiten, aber es gibt auch signifikante Unterschiede. Ich denke nicht, daß kolonisierte Völker, die über die letzten zwei Jahrhunderte die Opfer von europäischem Kolonialismus und Imperialismus gewesen sind, das Wesen des europäischen Nationalstaates und die Mentalität dahinter wirklich verstehen. Sie glauben, daß sie ihren Platz in der Weltgemeinschaft der Nationen einnehmen könnten, wenn sie diesen europäischen Modellen folgen. Die Geschichte hat gezeigt, daß dies nicht funktionieren wird. Sie haben sich selbst etwas vorgemacht. Sie haben sich auf einige der beschränkten Ideologien eingelassen, die die Basis des europäischen Nationalstaates bilden. Die Schwarzen in den USA sind in dieser Hinsicht anders. Wir haben so eng mit den europäischen Amerikanern zusammengelebt, wir haben eine solch enge Beziehung über einen so langen Zeitraum hinweg mit ihnen gehabt, daß wir wirklich verstehen, wie sie funktionieren. Wir haben keine Illusionen über ihre Intentionen. Auch der einfache arbeitslose Arbeiter in Harlem weiß, was mit den weißen Leuten los ist. Er kann es vielleicht nicht genauso eloquent ausdrücken wie Jesse Jackson oder wie einige andere „Schwarzenführer", aber er versteht auf einer tiefgründigen psychologischen Ebene und gefühlsmäßig. Ich denke nicht, daß Trikontvölker, die nicht mit weißen Amerikanern gelebt haben, das verstehen.


F: Was ist mit den Weißen los, und wie wirkt sich das auf den Nationalstaat aus?


DBW: Wenn ich den Begriff „Weiße" benutze, spreche ich von einer bestimmten kulturellen und historischen Kontinuität — im Gegensatz zu Einzelpersonen. Denn Einzelpersonen sind dazu in der Lage, bestimmte gesellschaftliche und ideologische Grenzen zu überschreiten. Aber gleichzeitig sind wir alle Soldaten der Geschichte, wir befinden uns alle im selben geschichtlichen Strom. Wenn ich von Weißen spreche, spreche ich von einem Zusammenkommen von sozialen, ökonomischen und historischen Kräften, die das soziale Wesen und Bewußtsein von weiten Teilen einer Bevölkerung bestimmen und die Beziehungen untereinander beeinflussen. Die geschichtliche Erfahrung Europas ist die Erfahrung von Selbstentfremdung. Und die Verstärkung dieser Erfahrung durch die politische und ökonomische Etablierung des modernen Nationalstaates hat zu der momentanen Situation geführt, in der wir uns befinden. Wenn wir alle Aspekte der europäischen Einmischung in der Welt analysieren, stellen wir fest, daß Entfremdung und Gier die primären Antriebskräfte für ihre Handlungen gewesen sind. Diese Entfremdung hat sich in ihren Begegnungen mit den indigenen Kulturen manifestiert. Schon mein begrenztes Stud ium der europäischen Kolonisierung und Aneignung des nordamerikanischen Kontinents zeigt mir, daß sie ein bestimmtes Denkmuster hatten, das auf der historischen europäischen Erfahrung beruhte. Der fundamentale Widerspruch dieses Denkmusters ist die menschliche Entfremdung von sich selbst und der Natur; eine Sichtweise, eine Wahrnehmung von sich selbst als höherem Wesen und über der Natur stehend. Das ist ein hervorstechendes Merkmal der europäischen Kultur. Kein anderes Volk hat das, nicht in diesem Ausmaß. Östliche Kulturen sind ganzheitlicher, einheitlicher in ihrer Herangehensweise an das Leben und in ihrer Herangehensweise an die Auseinandersetzungen im Leben. Aber es ist dieser Widerspruch, der der europäischen historischen Erfahrung innewohnte und sich in ihre festgegraben hat, der das Wesen der Welt verändert hat. Auch die Zerstörung der Umwelt ist genau darauf zurückzuführen. Wie kannst du — es sei denn, du denkst, daß du über der Natur stehst — giftige Abfälle in der Umwelt abladen und denken, das würde keine Auswirkung auf dich haben? Wenn daher nicht in Richtung einer Einheit mit dem Universum gedacht wird, vernetzt und vielmehr Teil als abgeteilt von der Natur zu sein, kann man nicht damit anfangen, jene Art moralische Regierungsinstanz aufzubauen, die den Planeten heilen könnte; die Genozid und Krieg, Ausbeutung oder Hierarchien von Herrschaft und brutaler Kontrolle abschaffen könnte.

 

Zitiert aus:

Dhoruba Bin Wahad, Mumia Abu-Jamal, Assata Shakur - Still Black, Still Strong. Überlebende des US-Kriegs gegen Schwarze Revolutionäre, 1999

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